Veraltete Software ist kein technisches Detail – sie ist ein strategisches Risiko. Besonders in Branchen wie Finance und Insurance, in denen Stabilität, Compliance und Time-to-Market entscheidend sind, kann eine alte Codebasis zu einem echten Hemmschuh werden.
Beispiele für Legacy Code – und damit potenzielle Risiken für den wirtschaftlichen Erfolg – finden sich in fast jedem Unternehmen. So verursacht veralteter C++ Code, der auf Standards wie C++03 basiert, hohe Wartungskosten, Sicherheitsrisiken und erschwert die Weiterentwicklung. COBOL-basierte Anwendungen betreffen oft sensible Kundendaten in Banken und Versicherungen und basieren teils auf über 60 Jahre altem Code. Und Visual Basic 6 – zuletzt 1998 aktualisiert – bildet auch 2025 noch die Grundlage für zahlreiche, teils geschäftskritische Anwendungen.
In diesem Beitrag zeigen wir, welche technischen Herausforderungen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen Sie berücksichtigen sollten, wenn es darum geht, eine veraltete Codebasis zu modernisieren – und wie ein strukturierter Fahrplan zur erfolgreichen Umsetzung aussehen kann.
Technische Herausforderungen: Wenn veralteter Code zur Last wird
Viele Unternehmen verlassen sich seit Jahren auf stabile, aber veraltete Systemlandschaften. Solche Systeme umfassen häufig mehrere Hunderttausend bis Millionen Zeilen Code in alten Programmiersprachen und sind oft gewachsen, statt geplant. So entstehen unliebsame Relikte der Vergangenheit – doch je älter der Code, desto größer die Risiken:
- Instabile Speicherverwaltung durch extensive Nutzung von Pointer-Logik ohne Smart Pointer führt zu Memory Leaks und unerwartetem Verhalten – besonders kritisch ist das bei geschäftskritischen Systemen.
- Veraltete Build-Systeme mit Makefiles und festen Pfadangaben verhindern zuverlässige Builds und erschweren die Integration moderner Tools.
- Unsichere Bibliotheken und APIs bergen bekannte Schwachstellen, die Compliance-Verstöße nach sich ziehen können und Sicherheitsrisiken darstellen, etwa wenn Sicherheitsmechanismen wie Buffer-Overflow-Schutz oder Thread-sichere Datentypen fehlen.
- Mangelnde Testabdeckung (<10 %) erhöht das Risiko von Regressionen und erschwert jedes neue Release.
Zudem kommt ein unterschätzter Faktor hinzu: Der Fachkräftemangel. Entwickler:innen, die mit alten Standards wie C++98 oder C++03 arbeiten können und wollen, sind rar. Moderne Fachkräfte erwarten moderne Tools und Technologien – das macht die Legacy-Codebasis auch zu einem Recruiting-Hindernis. Zudem ist ein veralteter Tech-Stack ein relevanter Kündigungsgrund für IT-Fachkräfte.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei anderen Alttechnologien: So setzen z. B. viele Banken, Versicherer und Behörden in Deutschland bis heute auf COBOL-Systeme, die auf IBM-Mainframes laufen. Diese Anwendungen stammen oft noch aus den 1980er- oder 1990er-Jahren und regeln kritische Prozesse wie Kontoführung oder Leistungsabrechnung.
Nicht selten entsteht ein Schatten-IT-Problem, wenn Altsysteme nicht mehr richtig gepflegt werden. Das zeigt sich besonders bei alten Client-Server-Anwendungen, etwa in Visual Basic 6 (VB6): Obwohl Microsoft diese Sprache bereits 1998 abgekündigt hat, laufen in vielen Unternehmen noch interne Tools oder Fachanwendungen in produktivem Einsatz – z. B. für das Berichtswesen oder die Anlagenbuchhaltung.
Betriebswirtschaftliche Herausforderungen: Risiken und Kosten
Die technischen Schwächen veralteter Codebasen wirken sich direkt auf das Business aus:
- Compliance-Risiken: Unverschlüsselte personenbezogene Daten oder unsichere Bibliotheken können z. B. DSGVO-Verstöße nach sich ziehen – mit Bußgeldern in fünfstelliger Höhe.
- Time-to-Market-Verzögerungen: Wo neue Releases in 2–4 Wochen erfolgen könnten, dauern sie mit Legacy Code oft 3–6 Monate.
- Produktivitätsverlust: Fehlerhäufigkeit und manuelle Debugging-Aufwände verhindern die Fokussierung auf echte Innovationsarbeit.
- Hohe Wartungskosten: In vielen Unternehmen fließen bis zu 60 % des IT-Budgets in die Pflege von Alt-Systemen – bei sinkender Performance.
Warum Modernisierung lohnt: Technische und strategische Hebel
Eine Software-Modernisierung ist kein Selbstzweck. Sie bietet klare Mehrwerte – technisch und betriebswirtschaftlich:
1. Stabilere und sicherere Software
Die Umstellung auf Smart Pointer (z. B. std::unique_ptr) und moderne Speicherverwaltungsmechanismen reduziert Memory Leaks drastisch. Tools wie AddressSanitizer oder Clang-Tidy helfen, Sicherheitslücken frühzeitig zu erkennen. Studien zeigen: Produktionskritische Incident-Raten können so um bis zu 70 % gesenkt werden.
2. Performance-Gewinne
Die Verwendung moderner Code-Features wie std::move, std::optional, ranges oder concepts (am Beispiel C++) führt zu messbaren Laufzeitvorteilen. Rechenintensive Anwendungen profitieren von bis zu 30 % besserer Performance – allein durch moderne Sprachmittel.
3. Schnellere Entwicklung und Releases
Durch CMake und moderne CI/CD-Pipelines verkürzen sich Build-Zeiten um bis zu 60 %. Regressionstests und automatisierte Builds sorgen für mehr Qualität in der Softwareentwicklung bei kürzeren Zyklen. Die Testabdeckung kann mit Google Test, Catch2 oder doctest schnell auf >80 % gesteigert werden.
4. Kostenreduktion und ROI
Ein typischer Effekt: Die Wartungskosten sinken um 30–40 %. Gleichzeitig sinkt die Fehlerdichte und Security-Audits werden effizienter – ein nicht zu unterschätzender Vorteil in regulierten Märkten.
So gehen Sie vor: Der Modernisierungsfahrplan in fünf Etappen
1. Analyse & Quick-Scan
Starten Sie mit einem strukturierten Audit der Codebasis: Für C++ helfen Tools wie SonarQube, CppDepend oder Clang-Tidy, Hotspots, technische Schulden und Sicherheitslücken zu identifizieren.
Für andere Legacy-Technologien wie COBOL oder VB6 gibt es spezialisierte Werkzeuge wie Micro Focus Enterprise Analyzer, IBM ADDI oder Visual Expert, die ähnliche Analysen für diese Plattformen ermöglichen – von Dead-Code-Erkennung bis zur Change-Impact-Analyse. Ziel ist eine fundierte Entscheidungsbasis.
2. Build-System umstellen
Ersetzen Sie alte Build-Prozesse wie NMake, Makefiles oder Visual Studio-Projektdateien durch moderne Lösungen wie CMake mit Presets und Targets – das macht C++-Builds portabler, wartbarer und CI-fähig. Für COBOL kommen z. B. Micro Focus Build Tools oder IBM DBB zum Einsatz, um klassische JCL-basierte Kompilierungen in DevOps-Pipelines zu überführen.
Und für ältere VB6-Projekte lassen sich zumindest einfache Skripting-Builds mit VB6.EXE /MAKE realisieren – wobei der langfristige Fokus meist auf einer Migration in CI/CD-fähige .NET-Workflows liegt.
3. Test-Baseline etablieren
Implementieren Sie eine erste Testabdeckung – auch mit Legacy Code ist das möglich. Tools wie Google Test oder Catch2 lassen sich schrittweise einführen. Ziel: testbare Module identifizieren und Regressionen verhindern.
4. Schrittweises Refactoring
Statt Big Bang empfiehlt sich ein inkrementeller Ansatz. In C++ bedeutet das: nach und nach gefährliche Konstrukte wie char* durch std::string_view ersetzen, rohen Pointer-Code durch Smart Pointer austauschen und schrittweise auf modulare, wartbare Strukturen migrieren. Achten Sie dabei auf ABI-Kompatibilität, besonders bei eingebundenen Drittbibliotheken oder Binärschnittstellen.
Auch andere Legacy-Technologien profitieren von schrittweisem Refactoring. In COBOL-Projekten umfasst dies z. B. das Entfernen von totem Code, die Vereinheitlichung von Datenzugriffen oder die Modularisierung riesiger Monolithen. In VB6-Anwendungen geht es häufig darum, alte ActiveX-Komponenten oder unsichere API-Aufrufe zu ersetzen, globale Variablen zurückzudrängen und erste Teile nach .NET zu portieren. Tools wie Micro Focus Enterprise Analyzer oder Visual Expert unterstützen bei der Lokalisierung und schrittweisen Ablösung kritischer Codestellen.
Ziel ist in allen Fällen: eine stabile Refactoring-Basis zu schaffen, ohne die Funktionalität zu gefährden – und gleichzeitig die Modernisierung künftiger Module zu erleichtern.
5. Sicherheits-Härtung
Veralteter Code birgt Sicherheits- und Compliance-Risiken. Nutzen Sie deshalb etablierte Regelwerke wie MISRA oder CERT C++, ergänzt durch Quality Gates in SonarQube oder Jenkins. Gerade im C++-Umfeld helfen zusätzlich Tools wie AddressSanitizer oder Clang-Tidy, typische Speicherfehler, Race Conditions oder gefährliche Konstrukte frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
Auch für COBOL und VB6 ist Sicherheits-Härtung möglich und notwendig. In COBOL-Systemen unterstützen z. B. IBM ADDI oder Micro Focus-Analysetools bei der Identifikation von Schwachstellen in der Datenverarbeitung, etwa beim Umgang mit PII oder bei nicht abgesicherten Dateioperationen.
Für VB6-Anwendungen ist die Härtung vor allem ein Schritt zur Schadensbegrenzung: Unsichere Funktionen (z. B. Shell, COM-Interop, Registry-Manipulation) sollten gezielt entfernt oder isoliert werden. Parallel empfiehlt sich eine Planung zur Ablösung veralteter Windows-Runtimes, da fehlende Sicherheitsupdates langfristig ein erhebliches Risiko darstellen.
Vorsicht Falle: Häufige Stolpersteine in Modernisierungsprojekten
- „Alles auf einmal“-Mentalität: Ein vollständiges Rewriting kann riskant und teuer sein. Inkrementelles Refactoring mit klarer Roadmap ist in der Praxis erfolgreicher.
- CI/CD-Engpässe: Ohne ausreichende Build- und Testressourcen droht Stillstand. Planen Sie parallelisierte Pipelines und skalierbare Testinfrastruktur.
- Ignorierte Legacy-Formate: Alte Serialisierungen (z. B. Boost.Serialization) müssen berücksichtigt werden – z. B. durch Migration zu JSON/Cereal.
- Keine klare Zieldefinition: Ohne messbare KPIs fehlt die Legitimation gegenüber Management und Controlling. Definieren Sie Erfolgskennzahlen frühzeitig!
Erfolg messbar machen: KPIs für Ihre Modernisierung
Eine erfolgreiche Code-Modernisierung zeigt sich an klaren Kennzahlen – etwa:

Diese Zahlen machen Fortschritte sichtbar und helfen, intern Akzeptanz zu schaffen – gerade bei Führungsebene und Controlling.
Ausblick: Legacy-Modernisierung als Innovationsbasis
Wer Legacy Code modernisiert, schafft mehr als nur stabile Software: Sie machen Ihr Unternehmen zukunftsfähig. Denn moderne Codebasen ermöglichen:
- Bessere Time-to-Market-Zeiten
- Schnellere Integration von Security-Fixes
- Attraktivere Arbeitsbedingungen für Fachkräfte
- Höhere Skalierbarkeit für neue Geschäftsmodelle
Der Trend ist klar: In Zeiten von KI, Microservices und DevOps können es sich Unternehmen nicht mehr leisten, auf Legacy-Technologie zu bauen. Die gute Nachricht: Mit klarer Planung, realistischen Zielen und den richtigen Tools gelingt der Umstieg – und rechnet sich schneller als gedacht.
Fazit: Legacy Code modernisieren – eine Investition in Ihre Zukunft
Veralteter Code ist kein Makel, sondern eine Herausforderung, der sich erfolgreiche Unternehmen strategisch stellen sollten. Jede erfolgreiche Software wird irgendwann alt. Entscheidend ist, wie man damit umgeht.
Die Modernisierung Ihrer Legacy-Codebasis ist ein strategischer Schritt mit weitreichendem Nutzen: Technisch, betriebswirtschaftlich und kulturell. Sie verringern Risiken, senken Kosten, erhöhen Qualität und machen Ihr Unternehmen attraktiver für Talente.
Ob C++03, monolithische COBOL-Prozesse oder überholte VB6-Tools – wer heute aufräumt, schafft die Grundlage für sichere, wartbare und zukunftsfähige Systeme.
Sie möchten Ihre Legacy-Systeme modernisieren?
Ob es um eine Analyse Ihrer bestehenden Codebasis, die Auswahl geeigneter Tools oder einen schrittweisen Fahrplan für die Migration geht – wir unterstützen Sie gerne. In einer kostenlosen Erstberatung klären wir gemeinsam, wie Sie Ihre Software nachhaltig modernisieren und gleichzeitig Risiken minimieren können.
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FAQ: Legacy Code Modernisierung
Was ist ein Legacy Code?
Als Legacy Code bezeichnet man Software, die auf veralteten Technologien, Standards oder Praktiken basiert – etwa C++03, COBOL, Makefiles oder Visual Basic 6. Häufig fehlen Tests und moderne Entwicklungspraktiken. Typischerweise ist Legacy Code schwer wartbar und mit wachsendem Risiko behaftet.
Wie lässt sich Legacy-Code schrittweise modernisieren?
Durch inkrementelles Refactoring: Erst Analyse und Priorisierung, dann schrittweise Umstellung auf moderne Code-Features, Build-Systeme und Tests. Wichtig: Bestehende Funktionen nicht gefährden, sondern iterativ verbessern.
Was kostet ein Modernisierungsprojekt?
Das hängt vom Umfang und Reifegrad der Codebasis ab. Erfahrungswerte zeigen: Die Investition amortisiert sich meist innerhalb von 12–18 Monaten durch gesparte Wartungskosten, reduzierte Fehler und schnellere Entwicklung.
Welche Tools unterstützen die Modernisierung?
Für C++ eignen sich u. a. CMake (Build), SonarQube, Clang-Tidy, AddressSanitizer oder CppDepend. In COBOL-Projekten kommen z. B. Micro Focus Enterprise Analyzer oder IBM ADDI zum Einsatz, in VB6-Umgebungen Tools wie Visual Expert oder Migrationshilfen für .NET. Ziel ist in allen Fällen: Abhängigkeiten analysieren, Risiken erkennen und Codequalität steigern.
Für welche Systeme ist Legacy-Code-Modernisierung besonders relevant?
Insbesondere in regulierten Branchen wie Finance, Versicherung, öffentlicher Sektor oder Industrie. Hier sind Legacy-Systeme weit verbreitet – etwa auf Basis von C++03, COBOL oder VB6 – und stehen oft im Zentrum geschäftskritischer Abläufe.